Montag, 9. Februar 2015

ABSCHIED VON DER EFFIZIENZ

Florian Rustler ist Gründer und Geschäftsführer der                  
creaffective GmbH. Creaffective unterstützt Organisationen 
weltweit ihre Innovationskraft zu stärken und eine Kultur der 
Innovation zu entwickeln.
(der Artikel wurde im Capital veröffentlicht)




Effizienz bedeutet, die Dinge richtig zu tun. Effizienz versucht mit dem Einsatz von möglichst wenig Mitteln, einen möglichst hohen Output zu generieren. Dabei versucht man Verschwendung zu vermeiden und sein Handeln zu „optimieren“, um den Einsatz der Mittel möglichst gering zu halten.
Die Fähigkeit, effizient zu funktionieren, ist ein Erfolgsfaktor von Unternehmen in Wettbewerbssituationen. Der Netzwerkexperte und Unternehmensberater Peter Kruse hat in einem Interview die Effizienzkultur in deutschen Unternehmen als besonders ausgeprägt beschrieben und diese als einen Wettbewerbsvorteil der hiesigen Wirtschaft ausgemacht.
Manager beschäftigen sich per Definition mit diesem so wichtigen effizienten Verwalten des Status Quo. Ein Master of Business Administration ist damit ein effizienter Verwaltungsmeister. Zu diesem effizienten Verwalten gehört für viele Manager die (zwingende) Orientierung an kurzfristigen Zielen, an denen sie gemessen werden.

FUNDAMENTAL INKOMPATIBEL

So wie Effizienz ein Erfolgsfaktor von Organisationen ist, so ist für die meisten Branchen und die meisten Unternehmen Innovation ebenfalls ein wichtiger Erfolgsfaktor; für die Zukunft. Während sich die Effizienz vor allem auf das Hier und Jetzt bezieht, bedeutet Innovation, etwas Neues zu schaffen, das Nutzen bringt und einer Organisation in Zukunft als ökonomische Grundlage dienen kann.
So wichtig der Effizienzfokus vieler Unternehmen für die Gegenwart ist, so fundamental inkompatibel ist dieser mit Innovation. Für Innovation braucht es ein grundsätzlich anderes Denken, welches das Effizienzparadigma gezielt verlässt.
Innovation heißt, Neues zu schaffen, egal ob es sich dabei um Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle oder interne Prozesse handelt. Das Neue ist, bevor es geschaffen wurde, erst einmal nicht vorhanden und unbekannt. Damit ist der Innovation ein hohes Maß an Unsicherheit inhärent. Diese Unsicherheit ist das Wesen der Innovation. Je höher der Grad der Neuheit in einem bestimmten Kontext ist, desto höher ist auch der Grad der Unsicherheit.
Ist etwas Neues einmal erdacht und geschaffen worden, dann betrachten wir es meist als logisch, einleuchtend und offensichtlich. Hier liegt die zentrale Krux der Innovation: Das Neue ist immer nur im Nachhinein logisch, klar und einleuchtend, also nach dem es geschaffen wurde. Im Vorhinein ist es alles andere als logisch und klar. Das Phänomen, das Neue im Nachhinein zu rationalisieren und als logisch zu beschreiben, wird in der Psychologie „Hindsight Bias“ genannt, eine kognitive Verzerrung, die im Rückblick greift.
Es gab einmal ein schönes Gespräch zwischen dem inzwischen verstorbenen damaligen Apple-Chef Steve Jobs und dem damaligen Microsoft-CEO Steve Ballmer,  in dem dieser sagte, dass das iPhone so besonders nicht sei, da die Technologie ja schon vorher da gewesen sei. Auch Microsoft hätte das iPhone erfinden können. Steve Jobs sagte nur lapidar: „Habt ihr aber nicht.“
So wie viele Menschen bei einer erfolgreichen Innovation im Nachhinein sagen „war ja klar“, oder „da hätte ich auch drauf kommen können“ so sagen sie im Nachhinein bei einer gescheiterten Neuerung „das war ja klar“ oder „das musste ja so kommen, habe ich doch gleich gesagt“.



Unsicherheit als Wesensprinzip der Innovation hat einige Konsequenzen, sofern man es ernst damit meint: Am Ende eines Innovationsprozesses sollte eine qualitativ hochwertige Lösung stehen. Der Weg dort hin bedeutet jedoch vor allem, nach Quantität zu streben, um dann aus der Quantität die Qualität herauszufiltern. Masse führt in diesem Kontext zu Klasse.
Ein Großteil der Innovationsarbeit besteht darin, viele Optionen zu entwickeln, viele dieser Optionen dann wieder zu verwerfen, vieles auszuprobieren und die vielversprechendsten Möglichkeiten in einem durch häufige Wiederholungsschleifen geprägten Prozess schrittweise zu verändern, bis die Qualität der Lösung hoffentlich den Anforderungen der Kunden und des Marktes entspricht und jede Menge weitere Kriterien erfüllt.
Dieser Prozess ist alles andere als effizient. Der Weg zur Innovation ist meist sehr verschwenderisch. Ein guter Teil des Aufwands ist im Nachhinein betrachtet umsonst gewesen. Trotzdem ist dieses Vorgehen notwendig, da wir im Vorhinein eben nicht wissen, welche der Lösungen zum Erfolg führen wird.

SCHUTZRÄUME schaffen

In einem auf Effizienz getrimmten Unternehmen hat es so ein Vorgehen verständlicherweise oft nicht leicht. Aber: Das was Unternehmen in der Vergangenheit und jetzt erfolgreich macht, ist kein Garant dafür, dass Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich sein werden. Oder, um es in den Worten Kruses zu sagen: „Wenn Sie innovieren möchten, müssen Sie nicht immer optimieren“. Deshalb gibt es in vielen Unternehmen inzwischen ein Innovationsmanagement. Ein grundsätzlich sinnvoller Ansatz, der versucht, den per se ineffizienten Prozess der Innovation so zu strukturieren und zu organisieren, dass ein Unternehmen möglichst früh auf die richtigen Pferde setzt und damit dann effizienter zur Innovation gelangt.
Trotzdem müssen die Innovationsmanager von ihnen betreute Projekte gegen das organisationale Immunsystem der Effizienzkultur verteidigen. Deutlich wird das besonders dann, wenn in Entscheidungsgremien im Unternehmen darüber diskutiert wird, wann sich die innovative Idee denn rechne und wann diese umsatzmäßig mit den jetzigen Umsatztreibern mithalten kann. Dann ist die Idee meist tot.
Für Innovation ist es deshalb entscheidend, ob es Organisationen gelingt, für gewisse Zeit einen Schutzraum für Innovationsprojekte zu schaffen, der diese vor der Effizienzkultur bewahrt. Es geht darum zu wissen, wann das Effizienzdenken angemessen ist und wann nicht.


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